Czech Enduro Series: Klíny
Den Abschluss unseres Sommer-Trips markiert ein weiteres Rennen der tschechischen Enduro-Serie, diesmal in Klíny an der deutsch-tschechischen Grenze im Erzgebirge. Nach fast drei Wochen Mountainbiken fühlen wir uns ganz gut vorbereitet. Dieses Mal fährt auch Rebecca mit – sie in der Hobby-, ich wieder in der Race-Kategorie.
Start- und Infopunkt des Rennens liegen auf dem Gipfel des Ski Areal Klíny. Als wir am Freitagabend ankommen, sind die Parkplätze an der Straße schon gut mit campenden Bikern gefüllt. Während wir unser Tarp aufbauen, scheint die Sonne, aber bereits kurze Zeit später zieht ein heftiges Gewitter über uns – ein Vorgeschmack auf das Wetter der nächsten Tage.
Samstag: Offenes Training
Am Samstag ist ab 10 Uhr offenes Training. Die Stages sind markiert und warten darauf, dass sich die Linienwahl der Biker in den weichen Boden eingräbt. Wir beginnen mit Stage 1. Sie startet an der Bergstation des Lifts und schlängelt sich auf einer der Bikeparkstrecken durch viele Anlieger den Skihang hinunter. Zur Auflockerung weicht die Stage manchmal von der Bikeparkstrecke ab und führt quer über die Wiese. Dabei wechselt die Strecke mit vereinzelten Kickern flowig zwischen Wald und Wiese hin und her, bevor sie abrupt auf der Hälfte des Hangs endet. Wie sich im weiteren Tagesverlauf zeigen wird, ist die erste Stage mit Abstand einfachste – sie ist sogar Teil des Kinderrennens.
Im Rennen würde jetzt ein Uphill auf uns warten. Den sparen wir uns und wechseln zum mittleren Teil von Stage 2. Hier ist der Boden noch feucht vom Regen des Vortages und trotzdem griffig. Bislang wurde lediglich die Laubschicht abgetragen. Die Stage geht steil in Schlangenlinien den Berg hinab. Ich taste mich nach unten und warte dann auf Rebecca. Währenddessen preschen drei Fahrer dicht hintereinander und scheinbar ohne die Bremse zu berühren den Berg hinunter – offensichtlich nicht meine Liga. Der mittlere Abschnitt endet an der Talstation des Lifts, der uns nach oben Richtung nächste Stage bringt. Beginn und Ende der zweiten Stage werden wir später erkunden.
Über Stock und Stein quer durch den Wald
Stage 4 und 5 liegen etwas entfernter auf der anderen Seite des Berges, daher nehmen wir nun diese beiden in Augenschein. Der Transfer verläuft recht entspannt über breite Forstwege. Auf Stage 4 geht es zunächst mit moderatem Gefälle quer durch den Wald und über Lichtungen. Nur einige quer liegende Baumstämme stören den Fluss. Als der Wald dichter wird, schlängelt sich die Strecke eng um die Bäume. Da es immer noch kaum Gefälle gibt, gilt es hier, möglichst viel Schwung durch die engen Kurven mitzunehmen.
Nach einer Kreuzung mit einem Forstweg wird es doch noch technisch. Der bisher weiche Waldboden ist plötzlich mit mehr Felsbrocken durchsetzt und die enge Streckenführung macht es schwer den Flow zu behalten. Zum Schluss wird es dann richtig steil. Nachdem ich den Einstieg über mehrere Felsbrocken verrissen habe, komme ich nicht mehr richtig in Tritt. Am Ende der Stage beobachten wir, wie andere die Kurve nehmen, und ich probiere den Abschnitt mit anderer Linienwahl noch einmal aus. Nun geht es viel besser! Hoffentlich kann ich mich morgen noch daran erinnern.
Zur Stage 5 geht es wieder auf Forststraßen, der Start ist nur wenige Meter von der vorherigen Stage entfernt. Auch hier geht es am Anfang flach und dann im Slalom durch den Wald. Am felsigen Ende der Stage kommen mehrere Offcamber und zwei kurze, knackige Gegenanstiege. Die Stage endet direkt neben dem Ziel von Stage 4.
Danach gehts weiter zu Stage 6, die wieder an der Bergstation beginnt und sich größtenteils der Bikeparkstrecken bedient. Lediglich ab und an gibt es ein paar unkonventionelle Abstecher oder Wiesenquerungen. Die Stage endet an der Talstation des Lift. Während sich Rebecca auf den Rückweg macht, mache ich mich auf den Weg zu Stage 3, die allein der Race-Kategorie vorbehalten ist.
Special-Stage nur für Racer
Von der Talstation geht es zunächst weiter nach unten. Dazu nutze ich das letzte Stück von Stage 2, das wir am Anfang übersehen haben. Von da an führt der Transfer zunächst sanft, später etwas knackiger auf Forstwegen nach oben. Etwa auf der Hälfte des Anstiegs beginnt es zu regnen. Umdrehen ist jetzt, auf halber Strecke, keine Option für mich. Also ziehe ich die Regenjacke über und kurbel weiter. Das letzte Stück des Uphills zweigt vom Forstweg ab und geht geradewegs den Berg hinauf, so steil, dass an Fahren nicht zu denken ist. Oben angekommen, hat der Regen aufgehört und ich mache mich nach kurzer Pause auf den Weg nach unten.
Der Boden hat den Regen ganz gut aufgenommen. Anfangs geht es in engen Kurven um die Bäume nach unten. Nach der ersten Kreuzung mit einem Forstweg folgt offener Wald. Aus den vereinzelten Felsbrocken werden zunehmend Geröllfelder. Diese machen es mir – zusammen mit den Spitzkehren – zunehmend schwer, in Bewegung zu bleiben. In der Fahrspur steht Wasser, aber der Grip ist besser als erwartet. Ich halte mehrmals an, um umzusetzen und zu verschnaufen. Morgen das alles am Stück zu fahren wird nicht einfach. Am Ende wird es wieder etwas flowiger, dafür steht nun auch mehr Wasser im Trail.
Jetzt wäre eigentlich noch Stage 2 dran, aber sowohl ich als auch mein Bike sind komplett eingeschlammt. Daher nutze ich, dass der Kärcher kaum frequentiert ist. Als ich wieder sauber und trocken bin, geht’s zum Trackwalk der Stage 2.
Raceday
Mein Rennen beginnt mit etwas Verzögerung bei bestem Sonnenschein. Da die erste Stage recht einfach, flowig und kurz ist, ist mein Plan, möglichst viel zu kurbeln und zeitraubende Kicker zu vermeiden. Danach folgt ein kurzer Uphill zu Stage 2. Diese beginnt recht einfach, aber die beim Trackwalk zurechtgelegte Linie an einer der Schlüsselstellen verpasse ich natürlich und komme beinahe zu stehen. Ansonsten läuft es auch hier ganz gut.
Nun beginnt der ziemlich lange Uphill zu Stage 3. Der fährt beziehungsweise schiebt sich bei Trockenheit deutlich besser als bei strömenden Regen. Auch die Stage selbst funktioniert ganz gut. Stage 3 ist die einzige Strecke, bei er ich überholt werde, dafür aber gleich zweimal. Da ich durch die Serpentinen die Fahrer schon früh bemerke, kann ich ich mir den Punkt zum Vorbeilassen ganz gut legen. Durch das viele Geröll und die Steilheit ist die Stage ist eine echte Herausforderung, vor allem für die Hände. Unten angekommen, bin ich kaum mehr in der Lage, eine Faust zu ballen. Aber wie ich bei anderen sehe, geht es nicht nur mir so.
Nach dem kurzem Uphill zur Talstation des Lifts und einer Liftfahrt lege ich eine kurze Pause am Verpflegungstand ein. Hier gibt es Kuchen, belegte Brötchen, Obst, Nüsse, Powerriegel und verschiedene Getränke.
Erste Ermüdungserscheinungen
Die Überfahrt zu Stage 4 ist recht entspannt. Auch die Stage selbst läuft recht flüssig, allerdings macht sich gegen Ende der Stage schon eine leichte Ermüdung bemerkbar. Unten fülle ich mein Wasser auf, bevor ich in den Uphill starte. Beim Hochkurbeln bekomme ich bereits die ersten Krämpfe in den Beinen und schiebe etwas, um mich aufzulockern. Irgendwann fällt mir auf, dass ich den falschen Uphill genommen habe, der zurück und zur Stage 6 führt. Umkehren ist keine Option, da ich damit hart erkämpfte Höhenmeter verlieren würde. Zum Glück habe ich eine Karte dabei und kann einen Weg ausmachen, der quer auf gleicher Höhe auf die andere Hangseite und damit zum richtigen Uphill führt. Leider stellt sich heraus: Der Weg ist teilweise zugewachsen und mit etlichen quer liegenden Bäume versperrt, außerdem muss ich die Stages 4 und 5 kreuzen. Auf dem richtigen Uphill angekommen, muss ich noch einige Male absteigen und schieben, da meine Kraft nicht mehr reicht.
Am Start von Stage 5 warten schon einige. Ich lasse ein paar nach mir Ankommende vor, um noch etwas zu entspannen. Alle um mich herum haben niedrige Startnummern, sind also deutlich später als ich gestartet. Als ich mich eingereiht habe, steht eine Frau hinter mir, die noch die Sticker der Enduro World Series auf dem Rad hat. Ich lasse sie vor, da sie mich auf jeden Fall überholen würde, und das möchte ich vermeiden. Der Typ hinter ihr sieht eher nach meiner Kategorie aus.
Die Stage selbst läuft ganz gut, viele Reserven habe ich aber nicht mehr und so versuche ich Energie zu sparen, wo es geht. Den ersten Gegenanstieg schaffe ich auf dem Rad, beim zweiten springe ich auf der Hälfte ab und schiebe. Nach der Stage bin ich an Ende. Meine Hände schmerzen, ich habe keine Energie mehr. Am Versorgungswagen gibt es kein Wasser mehr.
Begegnung mit dem Lumpensammler
Ich gehöre zu den letzten, die noch unterwegs sind. Die hinter mir Kommenden überholen mich nach und nach. Bergauf fahren geht kaum noch. Ein Radfahrer mit einem „CIL“-Schild (Ziel) fährt an mir vorbei und ruft mir etwas auf tschechisch zu. Sicher der Lumpensammler. Ich bin unsicher, ob ich überhaupt noch im Rennen bin. Nach dem scheinbar endlosen Rückweg komme ich an der Bergstation und damit am Start von Stage 6 an. Es ist noch ein Streckenposten da, der meinen Transponder aktiviert.
Ich sammle all meine letzten Kräfte und starte in die letzte Stage. Zum Glück ist diese sehr einfach und ich muss nicht viel treten. Unten angekommen, wird mir der Transponder abgenommen und ich bin froh, es geschafft zu haben.
Im Lift nach oben sitze ich neben einem tschechischen Fahrer, der dachte, dass er der letzte war – aber das war dann wohl ich. Wir hören die Ansage des Moderators auf Tschechisch. Er erklärt mir, dass das vorher festgelegte Zeitlimit von 4,5 Stunden angewendet wird, da der älteste Teilnehmer es eingehalten hat. Ich lag fast eine Stunde darüber, da heißt, ich bekomme eine Zeitstrafe von 30 Sekunden, was aber an meiner Platzierung nicht viel ändert.
Fazit
Wie wir nicht erst seit Ben Cathro wissen, ist die Linienwahl entscheidend. Nicht zuletzt durch das Beobachten einiger versierterer Fahrer habe ich mir insbesondere für Schlüsselstellen Linien überlegt. Am Renntag ist es mir bei vielleicht der Hälfte gelungen, die Linie so zu nehmen wie ich es geplant hatte. Aber im Gegensatz zum Rennen in Ještěd, das ich blind gefahren bin, hat der Trainingstag deutlich mehr Sicherheit, Souveränität und auch Spaß gebracht. Ob es sich am Ende auch in den Stagezeiten niedergeschlagen hat, werde ich vielleicht in einem weitern Eintrag zu analysieren versuchen.
Gesamtabstieg: -1786 m
Die Stages in Zahlen
- Stage 1: 0,92 km, 82 Tiefenmeter, 9 % Gefälle
- Stage 2: 1,27 km, 224 Tiefenmeter, 18 % Gefälle
- Stage 3: 1,64 km, 330 Tiefenmeter, 20 % Gefälle
- Stage 4: 2,12 km, 306 Tiefenmeter, 14 % Gefälle
- Stage 5: 2,40 km, 307 Tiefenmeter, 13 % Gefälle
- Stage 6: 1,09 km, 126 Tiefenmeter, 11 % Gefälle
Die professionellen Fotos vom Rennen stammen übrigens von Jacub Barcik (danke!), der in seinem Blog http://jakubbarcik.com/ auch hübsche kleine Comics übers Mountainbiken veröffentlicht.